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Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer

 

Ein Sommerabend auf dem Balkon, vom Hängesessel aus beobachten, wie die Schwalben die dritte Brut in diesem Jahr versorgen. Stetig vor sich hinschwatzend, irgendwie immer gut gelaunt. Wie sie sich in den Wind werfen, geschickt die Strömungen ausloten und sich in atemberaubender Geschwindigkeit durch die Lüfte bewegen. Manchmal legen sie die Flügel an und tauchen senkrecht nach unten - dann sehen sie fast aus wie kleine Miniaturpinguine im Frack. Ab und an zischen sie nur einen guten Meter über mir entlang, als wüssten sie, wie sehr ich es liebe, ihre Flugmanöver aus der Nähe zu beobachten. Die Abendsonne färbt ihnen die Bäuche leuchtend orange, meine Kamera ist zu träge, fängt nur verwischte Streifen in schwarz ein. Wie sie das wohl machen, ununterbrochen zu schwatzen und gleichzeitig blitzschnell so unglaublich viele Insekten zu fangen? Ich meine mal gelesen zu haben, dass die Schwalbeneltern durchschnittlich pro Brut 1,2 kg Insekten verfüttern, um die 120.000 Mücken und Co. - ich danke ihnen still für all die Stiche, die sie mir dadurch ersparen. Jetzt fliegen sie noch paarweise, bestimmt über 50 Schwalben, bis dann später größere Gruppen unterwegs sind und die neue Generation von Flugakrobaten geschult wird.

 

Ihre windschnittigen Luftraumbegleiter bis in den Juli, die Mauersegler, sind bereits längst auf dem Weg in den Süden, ihr schrilles "Sri Sri" fehlt schon seit Wochen. Zum Glück halten die Schwalben noch die Stellung, stärken den Glauben, dass der Sommer nie vorbeigehen wird. Jedoch mischen sich bereits leichte Töne von Melancholie unter ihr beruhigendes Geplapper: der Herbst ist nicht mehr weit, dies wird der letzte Schub von Schwalbenkindern sein, der dieses Jahr hier geboren ist. Umso mehr genieße ich es, dass sie noch da sind, unzählige schwarze Punkte, die vor dem Abendhimmel kreisen und kurz kollektiv in Deckung gehen, wenn der riesige Starenschwarm abends auf dem Weg zu seinem Nachtlager das Schwalbenrevier überquert. Gleich werden sie ganz plötzlich verschwunden sein, eine fast greifbare Stille von einem Moment auf den nächsten, wie eine Probe für den Tag, wenn der Sommer durch die Haustür geht und dem Herbst das Land überlässt. Ob sie wohl an ihrem Winterquartier manchmal an den kleinen Ort an der Ostsee denken? Im Traum weit weg in Afrika leise schwatzen wie am heutigen lauschigen Sommerabend? Erzählen sie sich unter der heißen tropischen Sonne Geschichten von norddeutscher Kühle, um nicht zu vergessen, wo sie geboren wurden? Ich werde sie vermissen, sehnsüchtig warten auf den Tag, wenn sie wieder zurückkehren aus dem Süden und dann Junge großziehen in den Nestern, in denen sie selbst geboren wurden.

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